Fischfang im Niedergang

350 offizielle Fischer gibt es heutzutage noch in Basel – und einen Fischerladen. Fischer sind am aussterben – das nicht zuletzt wegen teils verwirrenden Vorschriften. Thomas Flückiger führt den einzigen Basler Laden mit Fischereiartikeln an der Güterstrasse

Von Michael Bahnerth

Was die Fischerei in Basel anbelangt, gibt es im Grunde eine gute Nachricht für Menschen und eine für Fische. Die gute Nachricht für Fische ist: Es gibt immer  weniger Fischer. Wobei das nur eine halbwegs gute Nachricht für die Fische ist, weil der ­allmähliche Untergang der hiesigen ­Fischerszene nicht gleichzeitig eine bessere Überlebenschance für die Fische bedeutet. Vor allem in der Birs, in diesen zwei Kilometern, in denen sie durch Basel fliesst, bevor sie in den Rhein mündet. Vom Jura her trägt sie tödliche Krankheiten, bringt einen Pilz, Saprolegina, eine erhöhte PCB-Belastung, dazu noch die Nierenkrankheit PKD. Es ist offenbar so, dass die letzten Fischer kaum grosse Brocken, also Fische über 35 Zentimeter, aus der Birs später in der Pfanne braten, weil die Belastung durch Gifte zu gross ist. Der Rhein soll soweit o.k. sein, die Wiese auch.

Gute Nachricht für die Fischer
Die gute Nachricht für die letzten ­Fischer Basels ist, dass es noch einen ­Fischerladen gibt. Den letzten seiner Art. «Fischer Shop» heisst er, und der Mann, der ihn führt, heisst Thomas Flückiger, gross, schlank, im besten Alter, «very outdoor». Natürlich ist er Fischer. Seitdem er 18 Jahre alt ist, sein erster Fang war ein Egli, er hat ihn zurück ins Wasser getan. Inzwischen ist er Zapfenfischer sowieso und Spinnenfischer, Seefischer und auch Fliegenfischer, das ist die ­Königsdisziplin, und wie alle Fischer mag er die Natur, die Ruhe, das Jagen und das «Überlisten des Fisches». Wer selber fischt, weiss es, Fischen gibt einem das Gefühl von Einssein so mit ziemlich allem. Frauen fischen kaum. Flückiger vermutet, dass ihnen die Fischerei zu «schleimig» sein könte. Sein Laden in der Güterstrasse ist eine kleine Wunderkammer der Dinge, des Zeugs und der Geschichten. Vielleicht 20’000 Artikel sind untergebracht in den zwei Räumen, 100 bis 120 Ruten, man erhält Lebendfutter, die Angel geflickt, Ratschläge und seit fünf Jahren auch Messer, weil Flückiger die Einrichtung des ehemaligen Messer Meier aus der Steinenvorstadt übernommen hat und die Kollektion auch. Die Messer laufen besser als das Fischereizubehör. Eine aussterbende Spezies Flückiger ist auf seinem Gebiet eine Koryphäe. Seit 23 Jahren ist er im Fischerzubehör-Business, er ist wie ein Fluss, der nie aufhört zu fliessen. Leitete die Fischereiabteilung der Manor seinerzeit, machte sich dann selbstständig, und jetzt ist er ein Mensch, der sagt: «Reich werde ich nicht, aber ich lebe ein reiches Leben.» Sorgen, weil die Basler Fischerszene immer weniger lebt, macht er sich nicht. Wie viele Fischer ist auch Flückiger zum Stoiker geworden, und Stoizismus mündet bei Fischern im Kernsatz: «Kommt der Fisch heute nicht, kommt er morgen.» Im Stadium des Lebens befinden sich die Basler Fischer am Aussterben. Wenn einer in die ewigen Fischjagdgründe eingeht und seine Rute abgibt, ist keiner da, der sie in die Hände nehmen würde. Vielleicht noch 350 von ihnen sind in Basel übriggeblieben, und wenn das so weitergeht, sind sie bald rarer als Riesenkraken. Vorschriften über Vorschriften Warum das so ist? Klar, der mögliche Nachwuchs chillt lieber am Gewässer, sucht die innere Ruhe im Marihuana und hat mehr Spass daran, leere Bierflaschen in den Fluss zu werfen als Angelhaken und so weiter. Das ist das eine. Das andere ist wohl auch die Bürokratisierung des Fischens, die langsam auch den härtesten unter den Fischern auf die Kiemen schlägt. Inzwischen ist sogar per Gesetz vorgeschrieben, wie der Fischer einen Fisch zu töten hat: Mit dem Totschläger über den Kopf, dann einen Kiemenschnitt. Damit der nach dem Totschlägerschlag üblicherweise schon tote Fisch endgültig tot ist. Der Kiemenschnitt ist einfach, macht aber eine blutige Schweinerei. Thomas Flückiger möchte dazu gar nicht viel sagen. Er schüttelt eher mit dem Kopf. Man hat so das Gefühl, dass das Problem, das die Fischer haben, darin liegt, dass man ihnen durch einen Ozean von Bestimmungen die archaische Freude am Fischen nimmt. Dass man sie für Sadisten hält, die zum Zeitvertreib einen Fisch malträtieren. Fischer müssen Buch führen, eintragen, wann sie wo fischen und wann sie welchen Fisch aus dem Verkehr gezogen haben und zwar sofort laut Paragraf 19 der Verordnung über die Fischerei im Kanton Basel-Stadt (Fischereiverordnung) vom 8. Februar 2011. Das widerspricht natürlich dem Freiheitsgedanken «ein Mann, eine Rute, ein Fisch». Paragrafen-Paradoxie Die Fischereiverordnung ist ein bisschen weder Fisch noch Vogel. 29 Paragrafen stark, will sie einmal das Leben der Fische nachhaltig durch Fangbestimmungen schützen und ihm, im Kampf gegen den Menschen, eine Chance geben. Auf der andern Seite liefert sie unfreiwillig Fische dem Tod aus. Das geht so: Fischt ein Fischer etwa einen Fisch, der das per Gesetz vorgeschriebene Mindestmass erfüllt, fängt er also etwa einen Egli von über 18 Zentimetern, möchte diesen aber nicht, darf er ihn nicht vom Angelhaken befreien und zurück ins Wasser werfen. Sondern muss ihn vorschriftsgemäss töten und dann wegwerfen. Fängt er aber einen Egli, der unter dem Mindestmass von 18 Zentimetern liegt, muss er ihn zurück ins Wasser lassen. Und zwar sorgfältig. Diese Paradoxie ist der Absicht des Gesetzgebers zu verdanken, der verhindern wollte, dass Fischer nicht nur aus Freude am Fischen fischen (Catch and Release), sondern zum Verzehr. Den Fischern auch nicht ganz verständlich ist das Verbot des Fischens mit Jauche- und Fleischmaden (Paragraf 13, Absatz 6, Buchstabe e der Fischereiverordnung). Das Fleischmadenverbot gibt es aus zwei Gründen. Es gab einmal ein paar schwarze Schafe, die mit ­Maden anfütterten, also einfach mal eine Handvoll Maden in das Wasser schmissen, um Fische anzulocken. Bei der Fliessgeschwindigkeit des Rheins von sieben Kilometern pro Stunde fragt man sich allerdings, ob das was brachte. Der andere Grund ist ein Verdacht. Es könnte sein, dass Fleischmaden die Magenwand von Fischen schädigen könnten. Nun ja. Das tut Orangensaft beim Menschen auch. Bevor einer überhaupt eine Angel in den Rhein halten darf, muss er ein ­Patent besitzen. Dazu braucht er einen sogenannten Sachkundenachweis (SaNa Standard). Der Kurs dauert einen Tag, von 25 Fragen muss man 20 richtig beantworten, danach kann man ein Patent für 50 Franken beantragen. Hecht im Karpfenteich Als ich noch ein grosser kleiner Junge war, genügte es, einfach ein Patent zu besitzen. Kostete ein paar Franken damals. Nichts mit SaNa und Tötungsvorschriften und Paragrafen, so viele wie Fische in einem Fischzuchtbecken. Ich hab das Angeln dann aufgegeben, weil ich lieber andere Dinge des Lebens am Haken haben wollte. Offenbar muss das Fischen in den Fluten der Zeit dann ein wenig ausser Kontrolle geraten sein. Es kamen all die Einwanderer, Kosovaren, Albaner, Kroaten, Serben, die dachten, Fischen sei etwas, das man einfach tun dürfe, so wie zu Hause. Und sie fischten um ihr Leben und gebärdeten sich wie ein Hecht im Karpfenteich. Den gesetzestreuen, lokalen Fischern war das ein Dorn im Auge, der Behörde auch. Also rief man den SaNa ins Leben und legte fest, dass der nur auf Deutsch gemacht werden darf. Zwar fischten die Jungs vom Balkan weiter, man hatte jetzt aber eine Handhabe, sie zu büssen. Zumindest erzählt man sich das so unter Fischern, auch wenn das Amt für Umwelt und Energie schreibt, dass es sich bei «Wildfischern» um «Einzelfälle» handle und von einem «ernsthaften Problem» nicht gesprochen werden könne. Sektion ausgetreten Man hört aber gerade, leise zwar, fast gemurmelt, dass die jugoslawische Sektion aus dem Fischereiverband ­Basel ausgetreten ist. Weil sie nicht vorschriftsgemäss gefischt hätten. Sie seien verwarnt worden, danach sanktioniert, worauf sie ausgetreten seien. Und jetzt wohl wild­fischen. Dazu passt, dass Fischer erzählen, der Basler Fischereiaufseher Hans-Peter Jermann würde nur noch mit Polizisten kontrollieren gehen. Eine Kunde kommt ins Geschäft von Flückiger. Irgendwas an der Rute ist kaputt, an der Rolle. Flückiger repariert das Ding, ein paar Handgriffe nur. Wie lange fischen Menschen? Der älteste ­bekannte Angelhaken auf jeden Fall ist zwischen 16 000 und 23 000 Jahre alt, gefunden in einer Höhle in Osttimor, hergestellt aus der Schale einer Meeresschnecke, vier Zentimeter lang. Wie lange, fragt man sich auch, werden Menschen in Basel noch fischen? Flückiger sagt nichts. Wahrscheinlich hofft er, dass er nicht bald ganz alleine ist. (Basler Zeitung)